Siemens steht vor einem wichtigen Jahr. Der seit Längerem im Umbau befindliche Konzern will 2020 seine Sparte Gas and Power, die unter anderem das Kraftwerksgeschäft enthält, ausgliedern und im September unter dem Namen Siemens Energy an die Börse bringen.
In die neue Gesellschaft soll auch der Anteil von 59 Prozent an dem Windanlagenbauer Siemens Gamesa eingebracht werden. Mittelfristig will Siemens lediglich noch eine Sperrminorität halten. Der designierte Energy-Chef Michael Sen erhofft sich unter anderem "mehr Flexibilität in Strategieentscheidungen".
Das Marktumfeld ist schwierig, der Preisdruck hoch, auch in der Windkraft. Es ist die größte Umwälzung seit Jahren, Siemens kappt einen Teil seiner Wurzeln.
Siemens verabschiedet sich damit von seiner Konglomeratsstruktur. Das Kerngeschäft wird künftig aus dem Digitalisierungsgeschäft, der smarten Infrastruktur sowie dem Zuggeschäft bestehen, flankiert von der Medizintechniktochter Healthineers sowie Energy.
Die Zugsparte soll zunächst im Konzern verbleiben, nachdem deren Fusion mit dem französischen Konkurrenten Alstom am Veto der europäischen Wettbewerbsbehörde gescheitert war.
Im vergangenen Jahr musste Siemens einen Gewinnrückgang hinnehmen. Vor allem in der zweiten Geschäftsjahreshälfte belasteten die kurzzyklischen Geschäfte, insbesondere in der Automobil- und Maschinenbaubranche. Der Druck dürfte vor allem in den ersten sechs Monaten weiter anhalten. Der Konzern geht von moderat sinkenden Märkten in Bereichen wie Software oder Automatisierung aus.
Zudem hemmt weiter die Nachfolgediskussion um Chef Joe Kaeser. Der Vertrag des 1957 geborenen Niederbayern läuft Anfang 2021 aus, der Siemens-Aufsichtsrat hatte Technik-Vorstand Roland Busch zum 1. Oktober vergangenen Jahres zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden bestellt und damit quasi zum Kronprinz gemacht.
Über die Nachfolge und deren Zeitpunkt soll in diesem Sommer entschieden werden. Das führt zu anhaltenden Spekulationen, Kaeser könne womöglich früher gehen. Aber auch das Gegenteil könnte theoretisch der Fall sein: dass der Manager womöglich doch noch einmal verlängert, um die Früchte seines Strategieprogramms zu ernten. Siemens betont immer wieder die "klare Nachfolgeregelung". Doch diese bekommt immer mehr den Charakter einer Hängepartie.
Es gibt für die Aktionäre daher reichlich zu diskutieren auf der Hauptversammlung. Und gäbe es bei Siemens nicht ohnehin schon reichlich Gesprächsstoff, könnte es noch von anderer Seite ungemütlich werden. Die Aktivisten von "Fridays for Future" haben Proteste angekündigt, unterstützt von anderen Organisationen wie Greenpeace.
Siemens war wegen eines Auftrags für Zugsignaltechnik für ein Kohlebergwerk in Australien ins Visier der Umweltschützer geraten. Der indische Energiekonzern Adani will dort eines der größten Kohlebergwerke der Welt errichten.
Siemens begründete das Festhalten an dem Auftrag, der lediglich ein Volumen von rund 18 Millionen Euro hat, unter anderem damit, dass der Konzern zu seinen vertraglichen Pflichten stehen müsse. Siemens will als Konsequenz aus der Debatte ein Nachhaltigkeitskomitee einrichten, das problematische Projekte stoppen soll.
Siemens-Chef Kaeser hatte sich Mitte Januar mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer getroffen und ihr einen "Aufsichtsposten" in der künftigen Siemens-Energy angeboten, was diese ablehnte. Allein dies hatte schon hohe Wellen geschlagen.