Automobilwoche traf Philipp Kupferschmidt, Leiter des Geschäftsbereichs Automotive & Mobility bei Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie Jürgen Reers, Leiter des Geschäftsbereichs Automotive & Mobility bei Accenture weltweit, zum exklusiven Doppel-Interview. Im Fokus: das Erfolgsmodell des weltweit tätigen Beratungsunternehmens, das 2024 beim Ranking der größten IT-Dienstleister von Automobilwoche erneut auf dem obersten Rang landete.
Accenture als starker IT-Partner der Automobilindustrie: "Die Entwicklung hin zum Software-definierten Fahrzeug gestalten"
Nummer Eins! Beim kürzlich veröffentlichten Top-25-Ranking der größten IT-Dienstleister im Automotive-Sektor landete Accenture auf dem ersten Platz – und zwar zum dritten Mal in Folge. Kein Zufall also, sondern ein Erfolgsmodell, das eine nähere Beleuchtung verdient. Jetzt lesen: unser großes Interview mit Accenture.
Philipp Kupferschmidt
Der Leiter des Geschäftsbereichs Automotive & Mobility in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist seit 2007 bei Accenture im Automobilbereich tätig.
Ersteinmal: Herzlichen Glückwunsch zu Platz Eins in unserem Ranking, Gold quasi! Accenture steht zum dritten Mal in Folge ganz oben auf dem Siegertreppchen, von 2019 bis 2023 haben Sie ihren Automotive-Umsatz in Deutschland verdoppelt. Was sind die Treiber für dieses Wachstum?
P. Kupferschmidt: Vielen Dank, wir freuen uns auch sehr über das Ergebnis. Mit Blick auf die Wachstumstreiber kann man die externen Faktoren natürlich nicht außen vor lassen. Die letzten Jahre waren krisengetrieben: von Corona über den Angriffskrieg in der Ukraine bis hin zur Klimakrise. Das hat einigen Unternehmen, gerade auch in der Automobilbranche, schmerzhaft vor Augen geführt, wo ihr Transformationsbedarf liegt und wie hoch dieser ist.
Zusätzlich haben wir als Beratungsunternehmen frühzeitig erkannt, dass Digitalisierung auch in der Automobilindustrie alle Geschäftsbereiche betreffen wird – und unsere Fähigkeiten entsprechend gezielt ausgebaut. Zuletzt auch im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz, in den wir drei Milliarden Dollar investieren und erst kürzlich ein Innovationszentrum in München eröffnet haben. Im Vergleich zu 2019 sind wir nun noch stärker in der Kernwertschöpfung unserer Kunden engagiert und arbeiten an einigen der bedeutendsten Transformationsprojekte der Industrie.
Jürgen Reers
Seit fast drei Jahrzehnten in der Automobil- und Mobilitätsbranche tätig, wechselte er 2016 zu Accenture, wo er globaler Leiter des Bereichs Automotive & Mobility ist.
Was sind – neben KI – die wichtigsten IT-Themen, welche die Automobilindustrie aus Ihrer Sicht auf keinen Fall vernachlässigen darf?
J. Reers: Neben der künstlichen Intelligenz gibt es mehrere Schlüsseltechnologien und IT-Themen, die in der Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung sind. Wir betonen in unserer Kundenarbeit immer wieder den sogenannten "Digital Core". Dieser setzt sich – neben KI und generativer KI – hauptsächlich aus den Bereichen Daten und Datenanalyse sowie Cloud-Computing zusammen. Die intelligente Nutzung großer Datenmengen ist die Basis jeder technologischen Anwendung, das gilt auch für KI.
Die Optimierung von Betriebsabläufen, die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit oder die Personalisierung des Kundenerlebnisses sind nur einige Beispiele für die Vorteile, die man mit der richtigen Datenstrategie genießt.
Was man dabei als Unternehmen nicht vergessen darf: die Mitarbeitenden fortlaufend zu fördern und neueste technologische Fähigkeiten zu vermitteln. So kann man dem Fachkräftemangel entgegenwirken und den eigenen Bedarf an digitalen Fähigkeiten decken.
Angesichts der wachsenden Konkurrenz etwa aus China ist die Stärkung der Kundenbindung für Automobilhersteller ein immer wichtigeres Thema – Stichwort: Customer Journey. Wie kann zum Beispiel generative KI dabei helfen, das Kundenerlebnis auf ein neues Level zu heben?
P. Kupferschmidt: Generative KI hat das Potenzial, das Kundenerlebnis auf vielfältige Weise zu verbessern und die Kundenbindung nachhaltig zu stärken. Für Automobilhersteller ist es daher enorm wichtig, sich strategisch über die gesamte Customer Journey hinweg mit den entsprechenden Anknüpfungspunkten auseinanderzusetzen. Dabei spielt die personalisierte Kommunikation eine zentrale Rolle: Durch die Analyse von Kundenpräferenzen und Verhaltensweisen kann generative KI zum Beispiel personalisierte Inhalte erstellen.
Ebenso kann der Kundenservice erheblich verbessert werden: Generative KI analysiert Kundendaten und schlägt darauf basierend Lösungen für Anfragen vor. Die Automatisierung interner Prozesse führt dazu, dass Kundenanliegen gleichzeitig schneller und effizienter bearbeitet werden können. Auch die Produktentwicklung profitiert von der Technologie, indem Kundenfeedback direkt in den Entwicklungsprozess neuer Fahrzeuge einfließt.
Wie wandelt sich dabei die Rolle der IT für die Automobilbranche? Kommt nach dem Software-defined Vehicle nun quasi auch die Software-defined Company?
P. Kupferschmidt: Software-defined Companies gibt es in der Automobilindustrie genau genommen bereits – manche neueren Hersteller mag man bereits zu Recht so bezeichnen. Sie hatten den Vorteil, auf der grünen Wiese passende IT-Strategien und -Lösungen für ihre Unternehmen definieren zu können, ohne Rücksicht auf Legacy-Systeme. Sie konnten auch unterstützende Unternehmensprozesse definieren und entsprechend qualifizierte Mitarbeitende einstellen. All dies geht bei etablierten Herstellern mit großen Transformationen einher.
Grundsätzlich beobachten wir natürlich, dass Automobilhersteller zunehmend für ihre Produkte, aber auch unternehmensweit, auf software-basierte Lösungen setzen. Gerade im Produkt erfordert dies eine tiefgreifende Kenntnis der Softwareentwicklung und -wartung. Fahrzeuge werden Teil eines umfassenden digitalen Ökosystems, das Cloud-Dienste, Datenanalyse und künstliche Intelligenz umfasst. IT-Abteilungen müssen daher in der Lage sein, komplexe Systeme zu integrieren und zu verwalten, die über das Fahrzeug hinausgehen. Die Komplexität der Herausforderung, die Vielzahl der erforderlichen Fähigkeiten und der zeitliche Druck aufgrund des Wettbewerbs mit neuen Marktteilnehmern zeigen deutlich, dass Unternehmen mit starken Partnern schneller ans Ziel kommen.
Accenture ist auch Mitglied der Software-defined-Vehicle-Working Group in der Eclipse Foundation. Ursprünglich ist Accenture als IT-Dienstleister ja auf IT im Unternehmen – und nicht im Fahrzeug – fokussiert. Wachsen diese Bereiche zusammen? Und welche Rolle wollen Sie als Beratungsunternehmen dabei spielen?
J. Reers: Accenture hat die Konvergenz der Bereiche IT und R&D/Produkt in der Automobilindustrie bereits vor vielen Jahren als zentrale Transformation erkannt und vorangetrieben. Diese Entwicklung zeigt, dass die traditionelle Trennung zwischen IT im Unternehmen und Technologien im Fahrzeug zunehmend verschwindet. Fahrzeuge werden als Teil der IT-Landschaft und Cloud betrachtet, und umgekehrt wird die Cloud ein integraler Bestandteil der Fahrzeuge. Der Entwicklungsprozess hat sich ebenfalls grundlegend gewandelt: Techniken wie Continuous Integration und Continuous Deployment (CI/CD), Virtualisierung und Simulation sind mittlerweile unverzichtbare Bestandteile der Produktentwicklung.
Das vollständige Ranking der Top 25 IT-Dienstleister 2024 finden Sie im Datencenter der Automobilwoche.
In diesem Kontext spielt Accenture eine aktive Rolle bei der Transformation der Automobilhersteller und Zulieferkette hin zu einem "Software first"- und "Intelligent Data Usage"-Ansatz. Durch die Akquisition von marktführender Expertise im Bereich eingebetteter Software, Fahrzeug-Architektur und Integration sowie durch das hohe Engagement im Bereich Open Source, wie die Beteiligung an der Software-defined-Vehicle-Working Group der Eclipse Foundation, engagiert sich Accenture, diese Transformation weiter zu beschleunigen und zu gestalten.
Vielen Dank für das hochinformative Gespräch!